Jörg Wojahn im Interview im ESF Magazin insight- „Die EU ist für die Menschen da“
Jorg Wojahn ist Vertreter der Europäischen Kommission in Österreich, die als Informationsvermittlerin zwischen Österreicherinnen und Österreicher, der hiesigen Politik und der Europäischen Union fungiert. Ihr Status ist dem einer Botschaft vergleichbar. Außerdem hat sie eine Rolle bei der wirtschafts- und finanzpolitischen Koordination und wirkt dabei an der Formulierung der jährlichen Reformvorschläge mit. Das Team des ESF Insight Magazins hat Herrn Wojahn zum Gespräch eingeladen:
ESF: Herr Wojahn, Sie sind seit 2015 in Ihrer aktuellen Funktion tätig. Nun erleben Sie die dritte EU-Ratspräsidentschaft Österreichs. Hat sie eine sozialpolitische Komponente, wenn ja, welche?
Jörg Wojahn: Die EU-Ratspräsidentschaft hat ein sehr wichtiges Motto „Ein Europa, das schützt“. Dabei geht es nicht nur um Grenzschutz oder Schutz vor illegaler Migration. Unser Augenmerk liegt auf der sozialen Sicherheit. Es geht um Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Zeiten der Digitalisierung und Globalisierung, aber auch um den Schutz vor Lohndumping. Der Beschluss wichtiger unterschriftsreifer Gesetze innerhalb dieser Legislaturperiode des Europäischen Parlaments ist von großer Bedeutung
ESF: Um welche Themen geht es dabei?
Foto: Vertretung der Europäischen Kommission /APA-Fotoservice/Hautzinger
Jörg Wojahn: Die Koordination der europäischen Sozialversicherungssysteme beispielsweise. Sie bringt weitere Klarheit, etwa für Grenzpendler und Menschen, die in einem anderen EU-Land leben und arbeiten. Ebenso die Entlohnung von LKW-Fahrern im grenzüberschreitenden Verkehr – ein sozialpolitisch brisantes Dossier. Die Verhandlungen zu beiden Themen könnte man in diesem Semester noch abschließen.
ESF: Welche Rolle spielt der Europäische Sozialfonds (ESF) in Österreich?
Jörgn Wojahn: Im Vergleich zu den Agrar- und Strukturfonds steht beim Sozialfonds der Mensch ganz im Mittelpunkt. Die Digitalisierung bringt in der Arbeitswelt den größten Wandel. Sie trifft nicht nur minder Qualifizierte, sondern auch mittel Qualifizierte. Hier wird in Zukunft viel zu tun sein, auch für den ESF, um Menschen zu qualifizieren und ihnen neue Fähigkeiten zu vermitteln. Es wird weiterhin Arbeitsplätze geben, aber es werden andere sein. Auch die Integration von Migrantinnen und Migranten wird uns weiter beschäftigen. Gerade in den letzten Jahren war der ESF hier aktiv. In Österreich fördert der ESF Menschen, die sich trotz des relativ stabilen sozialen Netzes Schwierigkeiten gegenüber sehen, z. B. Menschen aus sozial schwachen Verhältnissen und schlecht ausgebildete Jugendliche. Sie dürfen nicht vernachlässigt werden, sonst drohen sie zu einem echten Problem zu werden.
ESF: Gibt es ein ESF-finanziertes Projekt, das Sie besonders positiv in Erinnerung haben?
Jörg Wojahn: „start to work“ in Dornbirn hat mich beeindruckt. Hier geht es um die Integration von anerkannten Flüchtlingen. Die Erfolgsquote ist enorm: Von 700 betreuten Personen konnten zwei Drittel in den Arbeitsmarkt integriert werden. Das ist beeindruckend!
ESF: Welche Maßnahmen können wir in Österreich treffen, damit der ESF und seine Projekte noch sichtbarer für die Bevölkerung werden?
Jörg Wojahn: Zuallererst müssten jene, die profitieren, die Leistung als Sprungbrett für eine deutlich höhere Lebensqualität verstehen. Dann werden sie EU-feindlichen Kommentaren entgegnen und ihre persönlichen Erfahrungen in die Welt tragen können. Damit ist schon einiges gewonnen. Auch der Tag der offenen Tür und Projektbesuche sind eine gute und ausbaubare Idee. Dabei spielt die Wiedererkennung eine wichtige Rolle. Noch haben wir eine Vielzahl an Namen und Programmen für unsere sozialpolitische Arbeit. Das wollen wir in Zukunft möglichst unter einem Namen bündeln.
ESF: Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Es ist Ende 2020 und die Förderperiode 2014-2020 ist vorüber. Wie würde ein sehr positives Resümee aussehen?
Jörg Wojahn: Dank unserer Jugendförderung gibt es europaweit seit 2014 ca. 2 Mio. weniger arbeitslose Jugendliche und 1 Mio. Jugendliche weniger, die weder in Ausbildung noch in Arbeit sind. Wenn es am Ende der Förderperiode vielleicht 3 Mio. weniger arbeitslose Jugendliche und 2 Mio. weniger Jugendliche gibt, die weder in Ausbildung noch in Arbeit sind, wäre das ein großer Erfolg. Wichtig ist dann, dass die Jugendlichen wissen, dass die EU ihnen zur Seite stand. Ob das ESF, Jugendgarantie oder anders hieß, spielt dann nur für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung eine Rolle.
ESF: Wie weit sind wir davon entfernt?
Jörg Wojahn: Ich denke, das Ziel ist erreichbar. Natürlich hilft die gute Konjunktur auch mit.
ESF: Herr Wojahn, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview und alle Inhalte der 2. Ausgabe des Insight Magazins gibt es E-Book zum Nachlesen .