Bundesministerin Hartinger-Klein im Interview im ESF Magazin insight
Digitalisierung in Organisationen, am Arbeitsplatz, im täglichen Leben. Um der digitalen Zukunft gewachsen zu sein, werden längst allerorts die Weichen gestellt. Wie werden innovative Tools das Leben von Menschen mit eingeschränkter Mobilität, von atypisch Beschäftigten oder anderen Randgruppen verändern? Können sie zu höherer Sicherheit, Chancengleichheit und Fairness beitragen? Mag. Beate Hartinger-Klein, Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, spricht über Maßnahmen und Vorkehrungen im Rahmen ihrer Regierungsarbeit.
ESF: Welche Veränderungen kommen mit der Digitalisierung auf die Arbeitswelt zu?
Hartinger-Klein: Der steigende Einsatz digitaler Technologien hat in Europa und Österreich neue Beschäftigungsformen entstehen lassen. Viele dieser Formen basieren auf einer technischen, zeitlichen und geographischen Flexibilisierung der Arbeit. Wahrscheinlich wird künftig häufiger – auch grenzüberschreitend – an verschiedenen Orten gearbeitet. Die technische Entwicklung hat längst eine permanente Erreichbarkeit ermöglicht. Wir sollten jedoch bedenken, dass permanente Erreichbarkeit (z.B. über E-Mail, Handy) nicht permanente Verfügbarkeit bedeuten kann. Als Arbeits- und Sozialministerin ist mir besonders wichtig, dass der digitale Wandel gemeinsam gestaltet wird und wir Chancen für Wohlstandswachstum, verbesserte Arbeitsbedingungen und bessere Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und anderen Tätigkeiten (Kinderbetreuung, Pflege, Weiterbildung u.a.) nutzen.
ESF: Stichwort Robotik – welche Chancen bietet die Digitalisierung z.B. im Bereich der Arbeitsbelastung?
Hartinger-Klein: Die Digitalisierung ermöglicht, inklusivere Arbeitsmärkte und attraktivere Arbeitsplätze und trägt daher zu mehr Selbstbestimmtheit im Leben bei. Die Einbindung von Robotisierung zur Arbeitserleichterung betrifft nicht nur Roboter in Maschinenhallen oder Logistikzentren und über Plattformen organisiertes Crowdworking, sondern auch die Arbeitswelten etwa im Gesundheits- und Betreuungsbereich. Profitieren können davon z.B. Ältere oder Menschen mit körperlichen, weil physisch anstrengende Tätigkeiten von Maschinen übernommen werden, Kreativität und Erfahrungswissen wichtiger werden und die Erledigung von Aufgaben tendenziell ortsunabhängiger wird. Entgegen vieler Annahmen zeigen Studien, dass Digitalisierung nicht zu Arbeitslosigkeit führt, sondern sie künftig sogar neue Arbeitsplätze schafft, wenn die neuen Technologien genutzt werden. Die Maschine ersetzt nicht den Menschen, sondern ergänzt seine Fähigkeiten und nimmt ihm belastende, repetitive, monotone Arbeiten ab. Dadurch werden sogar neue Tätigkeiten geschaffen, wenn beispielsweise der menschliche Operateur den Roboter bei der Arbeit kontrolliert.
Robotik ist also weder schlecht noch gut. Bei der Mensch-Roboter-Kollaboration arbeiten Mensch und Maschine sozusagen Hand in Hand zusammen. Der Mensch, indem er steuert und überwacht, der Roboter, indem er die körperlich anstrengenden, repetitiven, monotonen Arbeiten übernimmt. Beide bringen ihre spezifischen Fähigkeiten ein.
ESF: Gibt es bereits konkrete Beispiele von Projekten für den digitalen Wandel im Europäischen Sozialfonds?
Hartinger-Klein: ESF Projekte setzen sich schon lange mit dem Thema auseinander. Ein Beispiel sind hier die Produktionsschulen, die im Rahmen der Maßnahmen des Netzwerkes Berufliche Assistenz Jugendliche am Übergang ins Berufsleben unterstützen. Hier gehören digitale Grundkompetenzen, Sicherheit im Internet aber auch praxisorientierte Medienwerkstätten zum Stundenplan und bereiten junge Erwachsene auf die Zukunft vor. Doch auch digitale Technologien wie Webinare in der Erwachsenenbildung, Apps im Deutschunterricht und Online-Datenbanken in der Betriebsberatung zeigen, dass ESF-geförderte Projekte die Digitalisierung zu ihrem Vorteil nutzen wissen.
ESF: Ein wesentlicher Aspekt bei Armut ist der Mangel an Bildung. Bringt die Digitalisierung auch Vorteile für den Zugang zu Weiterbildung speziell im Hinblick auf die Zielgruppe des ESF?
Hartinger-Klein: Ich bin der Überzeugung, dass digitale Technologien einen entscheidenden Beitrag zu einer Öffnung des Bildungszugangs leisten. Lernen wird in Zukunft mehr und mehr orts- und zeitunabhängig sein und sich verstärkt auf individuelle Bedürfnisse ausrichten können. Daher bietet die Digitalisierung vor allem in der Erwachsenenbildung und der betrieblichen Weiterbildung Chancen.
ESF: Wie profitieren benachteiligte Personen, sodass das digitale Angebot auch für sie zum Nutzen wird?
Hartinger-Klein: Gerade schlecht ausgebildete, langzeitarbeitslose und benachteiligte Menschen stoßen auf Herausforderungen im Bereich der Digitalisierung. Digitale Inklusion ist hier ein wichtiges Stichwort. Ich habe mir als Arbeits- und Sozialministerin es zum Ziel gesetzt, dass bei allen durch die Digitalisierung entstehenden Arbeitsformen grundlegende arbeitsrechtliche Standards sowie soziale Schutzmaßnahmen gewährleistet sind. Es ist unsere Aufgabe zu überlegen, wie wir soziale Teilhabe vor dem Hintergrund neuer technologischer Möglichkeiten gestalten können. Wir sollten auch die positiven Seiten der Digitalisierung sehen, wie z.B. der leichtere Zugang zu Information, Kommunikation und damit zu neuen Berufen für Menschen mit Behinderung.
ESF: Wie nutzen Sie persönlich digitale Medien im Alltag?
Hartinger-Klein: Selbstverständlich ist der digitale Wandel auch aus meinem Alltag nicht wegzudenken. Ganz besonders freut es mich, dass ich seit diesem Herbst über meine eigene private Facebook-Seite auf digitalem Weg in direktem Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern stehe und über meine tägliche Arbeit berichten kann.
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